Schmerztherapie bei Tumorpatientinnen und -patienten
Ein Drittel der Menschen, die an einem Tumor erkranken, leiden bereits in einem frühen Erkrankungsstadium an Schmerzen. Im weiteren Verlauf steigt dieser Anteil noch.
Die Therapie von tumorbedingten Schmerzen ist ein wichtiger Teil der Behandlung der Tumorpatienten. Trotz aller modernen Behandlungsmöglichkeiten gelingt bei einem Teil der Patienten keine befriedigende Schmerzkontrolle. Diese Patienten benötigen eine palliative Schmerztherapie, die dann häufig hochdosierte Morphinpräparate über Infusions- und Pumpensysteme erhalten.
Grundsätze
Vor einer gezielten Schmerztherapie ist das Arzt-Patienten Gespräch und die körperliche Untersuchung sehr wichtig, um Ursache, Lokalisation, Charakter und Stärke der Schmerzen zu erfragen.
Schmerzursachen
- Nozizeptive - und viscerale Schmerzen durch lokale Infiltration des Tumors oder seiner Metastasen in Knochen und Weichteile
- Neuropathische Schmerzen durch tumorbedingte Nervenkompression oder Nervendestruktion, aber auch als Therapiefolge (Polyneuropathie nach Zytostatikabehandlung wie z.B. nach Platinpräparaten, Mukositis oder Cystitis nach Methotrexat)
- Ischämieschmerzen durch tumorbedingte Gefäßkompression oder paraneoplastische Thromboembolien, Lymphödeme
- Schmerzen durch tumor-/therapiebedingte Begleiterkrankungen
Therapiemöglichkeiten
Wenn möglich, sollte die Therapie von Schmerzen auf die Beseitigung ihrer Ursache ausgerichtet sein. Das bedeutet, dass Schmerzen am besten reduziert werden können, indem der Tumor, Metastasen oder der durch sie bedingten Ödeme oder Ergüsse durch die Krebsbehandlung (beispielsweise durch Operationen oder Strahlentherapie, Punktionen oder Chemotherapie) verkleinert werden.
Bis diese Therapie erfolgreich ist, werden Schmerzen parallel medikamentös bekämpft. Auch psychosoziale bzw. psychoonkologische Maßnahmen spielen bei der Behandlung eine wichtige Rolle.
Evaluation und Dokumentation
Zur Einschätzung der Schmerzintensität und zur Verlaufskontrolle der Schmerztherapie kommen z.B. die Numerische Ratingskala und die Verbale Ratingskala zum Einsatz. Da Schmerz ein subjektives Erleben ist, sollte die Einschätzung nach Möglichkeit immer durch den Patienten selbst erfolgen. Die Numerische Ratingskala schätzt z.B. die Schmerzstärke durch den Patienten auf einer Skala von 0 bis 10 ein; 0 kein Schmerz bis 10 stärkster vorstellbarer Schmerz.

Übersicht über Schmerztherapien
Medikamentöse Therapie
- Nicht-opioidhaltige Medikamente
- Opioidhaltige Medikamente
- Begleitmedikamente
- Antikörper, Bisphosphonate, Radionuklidtherapie
Lokale Behandlung
- Operation von Tumor und Metastasen
- Bestrahlung
- Lokalanästhesie
- Nervenblockade
Psychosoziale Maßnahmen
- Psychoonkologische Angebote
- Entspannungstraining, Autogenes Training
- Bewegungstherapie
Komplementäre Verfahren
- Lymphdrainage
- Massagen, manuelle Therapie
- Krankengymnastik, Bäder, Packungen
- Aromatherapie
Grundsätze der Schmerzbehandlung
Individuelle Therapie
Die Schmerzbehandlung richtet sich nach Art des Schmerzes, Allgemeinbefinden und Therapiewillen des Patienten. Die Patienten werden umfassend über die Behandlungsmöglichkeiten informiert und in die diesbezügliche Entscheidungsfindung einbezogen. Medikamente werden bevorzugt oral – also als Tabletten, Tropfen oder Kapseln – verabreicht. Dadurch behalten die Patienten ihre Unabhängigkeit und können die Schmerzbehandlung selbstständig zu Hause durchführen. Komplementäre Therapien und psychosoziale Maßnahmen können die medikamentöse Schmerzbehandlung je nach individuellen Vorlieben unterstützen.
Fester Zeitplan
Im Alltag werden Schmerzmittel normalerweise akut nach Bedarf eingesetzt. Bei chronischen Schmerzen bzw. Tumorschmerzen ist das anders. Diese werden grundsätzlich präventiv behandelt, d.h. bevor sie auftreten. Es ist daher wichtig, dass die Schmerzmittel nach einem festen Zeitplan eingenommen werden. Meist handelt es sich um länger wirksame Medikamente (sogenannte Retard-Präparate), die keinen raschen Wirkungseintritt haben, dafür aber länger wirken.
Bedarfsmedikation
Trotz der festen Einnahme von verordneten Medikamenten und guter Schmerzkontrolle können bei bestimmten Belastungen (Mobilisation, Treppensteigen, Körperpflege etc) oder auch ohne erkennbare Ursachen plötzliche Schmerzen auftreten. Für diese Fälle benötigen Sie Medikamente, die Sie in diesen Situationen einnehmen können und die eine rasche Schmerzlinderung bewirken.
Die Kombination von langwirksamen Medikamenten mit Einnahme zu festen Uhrzeiten UND die Bedarfsmedikation für akut auftretende Schmerzen führt zu einer effektiven Schmerzlinderung!
Stufenschema
Für eine optimale Schmerzbehandlung empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation eine Kombination verschiedener Wirkstoffgruppen. Das Stufenschema umfasst:
WHO Stufe 1: Nicht-Opiate, z.B. Ibuprofen, Metamizol. Kein Nachweis für eine Wirksamkeit von Paracetamol bei Tumorpatienten.
WHO-Stufe 2: Opioide, z.B. Tramadol, Pethidin. Wegen der anfänglich auftretenden Übelkeit sollten diese Patienten für einige Tage ein Medikament gegen Übelkeit erhalten. Die Bedeutung dieser Medikamente in der Schmerztherapie von Tumorpatienten ist inzwischen gering.
WHO-Stufe 3: Opiate, z.B. Morphinsulfat, Hydromorphon, Oxycodon, Fentanyl. Die Applikation ist möglich als Tabletten, Tropfen, Spritzen oder Pflaster in akuter Form oder als retardierte Form. Typische Nebenwirkungen sind Verstopfung (daher verpflichtend Einnahme von Abführmitteln), Übelkeit in den ersten Tagen, Müdigkeit bzw. Sedierung in Abhängigkeit von der Dosierung und Geschwindigkeit der Dosiserhöhung.
Bei unzureichender Schmerzlinderung können weitere Wirkstoffgruppen gegeben werden. Insbesondere bei neuropathischen Schmerzen (Schmerzen, die durch Nervenschäden entstehen) ist eine Kombination mit Neuroleptika oder Antidepressiva sinnvoll.
Schmerztherapie ist eine umfassende Aufgabe, die in unserem onkologischen Zentrum von verschiedenen Fachdisziplinen wahrgenommen wird. Von den chirurgischen Fächern bis zur Palliativstation stellt die Schmerzreduktion eine der wichtigsten Therapieziele in der Tumortherapie dar.
Die Schmerztherapie wird in allen Fachdisziplinen des onkologischen Zentrums im und am Klinikum Gütersloh durchgeführt. Eine eigene Schmerzambulanz besteht nicht.